In Gedenkentwinkle

an Wolfgang Dallach

Wolfgang Dallach; Foto: privat

(Fortsetzung von Seite 1 ...) Ein weiterer Teil der Wahrheit ist, dass Wolfgang Dallach regelmäßig die Herren vom Luftfahrtbundesamt in den Wahnsinn trieb: „In 100 Metern Höhe sieht mich doch keiner“, pflegte da der nicht ganz unumstrittene Charakterkopf zu argumentieren. Insbesondere dann, wenn er am Steuer seiner legendären „DIABOLO“ einmal mehr entgegen der gesetzlichen Anweisungen handelte und – teuflisch eben, wie der Name seiner kleinen Höllenmaschine – stattdessen seine Flugshows in „Ameisenkniehöhe“ absolvierte. Wobei dies in den vergangenen Jahren nicht mehr allzu oft vorkam. Er wollte künftig etwas kürzer treten, hatte sich – zumindest offiziell – aus dem Kunstflug zurückgezogen und zeigte seine Akrobatik nur noch in Ausnahmefällen. „Ich bin doch jetzt Opa“, erzählte er stolz.

Unruhegeist

Wer Wolfgang Dallach kannte, weiß, dass seine Person aber nicht allein auf seine Leistungen in der Fliegerszene beschränkt werden kann. Er war ein Mann mit Ecken und Kanten, ein Mensch mit vielen Facetten, ja sogar etlichen Widersprüchen. Wollte etwas nicht so gelingen, wie er es sich vorstellte, ging er an die Decke. Beruhigend zu wissen, dass diese Gewitter auch schnell wieder vorbei waren. Denn auf Dauer zog er doch die Harmonie einem Dauerzwist vor.

Er war ein Unruhegeist, dessen Kopf ständig auf Hochtouren zu laufen schien. Davon zeugen nicht nur die unzähligen Skizzen, die er im Laufe seiner Konstrukteurslaufbahn zu Papier brachte. In Ermangelung dessen dienten dann auch Bierdeckel und Servietten als Ersatz. Wurden diese ebenfalls knapp, mussten mitunter sogar Tischdecken herhalten – sehr zum Leidwesen mancher Wirte. Aber auch sonst war Wolfgang Dallach ein dankbarer Gast. Er konnte einen Restaurantbesuch genießen – solange das Menü nicht nur aus einem „Hauch von Etwas an Etwas“ bestand. Hingegen war alles in Ordnung, wenn es sich um bodenständige Hausmannskost handelte, die schnell den Weg an seinen Platz fand und deren Bestandteile er selber und auch ohne langwierige Erklärungen eines livrierten Kellners leicht erkennen konnte.

Tja, sein spezieller Humor. Nicht jeder verstand ihn (gleich) und/oder mochte seine Scherze überhaupt. Wobei es gar nicht einmal sein Ding war, sich nur auf Kosten anderer zu amüsieren. Vielmehr nahm er gerne auch seine eigenen Unzulänglichkeiten zum Anlass, um einen Lacher zu platzieren. Er liebte die Geselligkeit. Viele kleine Grillfeste um und mit ihm kamen ganz spontan zustande.

Seelenbalsam

Dennoch plagte auch ihn manchmal ein Gefühl, als habe ihn eine Dampfwalze überrollt. Katerstimmung nach arbeitsintensiven Phasen, in denen er über einem Problem brütete, kaum schlief, so lange, bis er endlich auf eine Lösung stieß. Diese war oft genug einfach und genial zugleich. Dann zog er sich zurück, tauchte ab. Wenn es die Zeit erlaubte, gestattete er sich ein paar Tage Freizeit. In der Regel hatte sein Bootsverleiher-Freund am Forggensee immer einen kleinen Segler oder Katamaran parat. Alternativ lockte zur Erholung auch Skifahren in Stubai.

War keine mehrtägige Pause möglich, brachten ihn die TV-History-Dokus auf andere Gedanken. Oder Aphorismen von „Schopi“ Arthur Schopenhauer. Auch sentimentalen Tierfilmen konnte der Hundenarr, der früher zeitweise sogar einen „Flug-Dackel“ mit an Bord hatte, viel abgewinnen. Musik war ihm ebenfalls ein stets willkommener Seelenbalsam. Wolfgang Dallach spielte Klavier, studierte zusammen mit seinem Lehrer ein kleines Repertoire aus Lieblingsstücken ein. Genauso gern hörte er anderen zu. Wenn seine Tochter Cornelia dem Piano die „Mondscheinsonate“ von Ludwig van Beethoven entlockte, war er ihr größter Fan. Doch er war auch für andere Genres, wie Blues, Jazz und Latin-Pop zu haben. Er verehrte Ray Charles, Elvis Presley und Gloria Estefan, ging zu Konzerten von Eric Clapton, Dick Brave, Fast Eddy und Carlos Santana. Einen Spaß machte er sich, wenn er jüngeren Generationen etwas von „Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich“ erzählte und dabei den Namen dieser 1960er Jahre Band in einem Zug aussprach, ohne ins Stocken zu geraten. „Die waren halt zu meiner Zeit cool.“

Lehrmeister

Er konnte jedoch auch ganz ernst, in aller Ruhe und mit einer schier endlosen Geduld seinem Lehrling, einem Branchen-Outsider, oder generell interessierten Nachwuchstalenten die kompliziertesten Zusammenhänge erklären. Im Großen beispielsweise im Rahmen eines Kunstflugtraining-Wochenendes zusammen mit Klaus Schrodt in Reinsdorf. Im Kleinen etwa in Sachen physikalische Gesetzmäßigkeiten. – Übrigens die einzigen, die er respektierte. Ansonsten galt: „Regeln sind dazu da, sie zu brechen.“ – War es ihm wieder einmal gelungen, einen verworrenen Sachverhalt verständlich zu vermitteln, schloss er diese „Nachhilfen“ manchmal in seiner „bewusst völlig unbescheidenen Art“ mit dem Bedauern, nicht selbst so gute Lehrer gehabt zu haben.

Ja, Wolfgang Dallach liebte das Leben. Aber obwohl er ein emotionaler Mensch war, hätte er nicht gewollt, dass wir um ihn weinen.

Wir tun es trotzdem. Denn für uns ist er ein entsetzlicher, unersetzlicher Verlust.

Adriana

Februar 2015

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